Überall entstehen Produkte, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren oder diese nutzen. Doch längst nicht immer führt dies zum gewünschten Erfolg. Denn bei der KI-gestützten Produktentwicklung sind viele Faktoren zu berücksichtigen. Wir zeigen anhand zahlreicher Beispiele, worauf es ankommt.
Künstliche Intelligenz bei der Produktentwicklung
Künstliche Intelligenz gilt als eine der vielversprechendsten Technologien unserer Zeit mit dem Potenzial, ganze Branchen zu transformieren und unseren Alltag grundlegend zu verändern. Von der Automatisierung komplexer Prozesse über personalisierte Gesundheitslösungen bis zu innovativen Anwendungen in der Landwirtschaft – die Einsatzmöglichkeiten scheinen grenzenlos.
Doch neben großen Fortschritten und spektakulären Erfolgen gibt es auch zahlreiche Herausforderungen und Rückschläge. Nicht jedes KI-Projekt wird ein Erfolg und oft zeigen sich die Schwächen erst, wenn ein KI-basiertes Produkt auf den Markt kommt und den Test der Realität bestehen muss.
Deshalb lohnt es sich für Unternehmen, die KI strategisch einsetzen wollen, sehr genau zu schauen, was bei der Produktentwicklung mit KI bei anderen funktioniert hat – und was nicht. Die folgenden Beispiele illustrieren deutlich, worauf es ankommt und wie Unternehmen aus eigenen Fehlern lernen konnten. Denn was KI für Unternehmen leisten kann, erforschen und erproben einige schon seit vielen Jahren.
Erfolgreiche und weniger erfolgreiche KI-Produkte
Rabbit R1 – oder wie man aus KI kein Produkt macht
Wie man aus KI kein erfolgreiches Produkt macht, hat der Rabbit R1 eindrucksvoll bewiesen. Entworfen von Rabbit Inc. und gebaut von der schwedischen Firma Teenage Engineering, sorgte die leuchtend orangefarbene Box auf der Consumer Electronics Show (CES) 2024 für Aufsehen. Das Gerät im Format eines Walkmans sollte ein KI-Assistent für die Hosentasche werden.
Trotz fast 20.000 Vorbestellungen und großer Aufmerksamkeit in der Tech-Presse, wurde das Produkt bei der Veröffentlichung von Kritikern zerrissen. „Hätte eine App sein sollen“ war noch eine der wohlwollenden Kritiken.
Ein zusätzliches Gerät nur für KI mit sich herumzutragen und nach dem Kauf auch noch ein Abo dafür bezahlen zu müssen, löst offensichtlich keine Begeisterungsstürme aus. Das Beispiel Rabbit R1 verdeutlicht, dass auch die KI-basierte Produktentwicklung einen klaren Kundenfokus haben sollte. Denn wo kein Mehrwert – da auch keine Käufer.
Air Canada und die (Fehler-)Potenziale generativer KI
Chatbots sind ein unglaublich nützliches Werkzeug, wenn sie richtig eingesetzt und mit den richtigen Informationen gefüttert werden:
- Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC macht es vor, als großer OpenAI-Investor hat sie schon früh KI in fast alle ihre Prozesse und Produkte integriert. Chatbots beantworten Fragen, fassen Dokumente zusammen und wickeln Anfragen erfolgreich ab.
- Im Fast-Food-Bereich sorgen KI-gestützte Bestellsysteme für 10 bis 15 Prozent mehr Einkäufe.
- In Callcentern sind die Systeme 25 Prozent schneller, bei 67 Prozent weniger Abbrüchen.
- Im Gefahrenmanagement gibt es 25 Prozent weniger Fehlalarme.
Doch generative KI ist keine Allzweckwaffe. Die Fluglinie Air Canada musste feststellen, dass ihr Chatbot Rabatte erfand und auf Kundenwunsch verteilte. Obwohl die verteilten Codes nie existiert haben sollen, entschied ein Gericht, dass das Unternehmen für alle Informationen auf seiner Website verantwortlich ist – auch für die Versprechungen des Chatbots.
Entscheidend für die Vermeidung solcher Fälle ist die Qualität der Daten, mit denen die KI arbeitet. Gelingt das Feintuning eines Modells, stimmen auch die Antworten. Das folgende Beispiel zeigt auf, wie man mit diesem Problem besser umgeht.
IBMs spektakuläres Scheitern in der Medizin und das Ziehen von Lehren
IBM Watson wurde einst als revolutionäre KI-Plattform für das Gesundheitswesen angekündigt. Das System sollte Ärzten helfen, Patienten besser zu diagnostizieren und personalisierte Behandlungspläne zu erstellen. Trotz hoher Erwartungen und Investitionen scheiterte das Projekt.
Hauptgründe waren die mangelnde Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Diagnosen und Empfehlungen von Watson. Die Empfehlungen der KI entsprachen meist pauschal Lehrbuchbehandlungen und die Diagnosen konnten bei seltenen Krankheitsbildern nicht wie erhofft helfen. Zudem war die Integration in bestehende medizinische Systeme kompliziert und teuer. IBM verkaufte Watson Health 2021 an eine Investmentfirma.
Auch fortschrittliche KI-Technologie kann keine Wunder vollbringen, wenn sie nicht sorgfältig entwickelt und implementiert wird.
Nach dem Misserfolg änderte IBM seine Herangehensweise an KI-Projekte grundlegend. Der Fokus liegt nun stärker auf Datenqualität und -integration. Ein Beispiel ist IBM Cloud Pak for Data, eine Plattform, die Unternehmen dabei unterstützt, ihre Daten zu konsolidieren und KI-Modelle effektiver zu nutzen.
IBM konzentriert sich auch auf spezifische, praktische Anwendungen wie die App Sugar.IQ, die Diabetikern bei der Überwachung ihres Blutzuckerspiegels hilft. Die App kann Veränderungen des Blutzuckerspiegels bis zu drei Stunden im Voraus vorhersagen, was den Patienten hilft, ihre Werte besser zu kontrollieren und so ihre Lebensqualität zu verbessern.
Auch in der Onkologie hat IBM mit Watson for Genomics große Fortschritte erzielt. Das KI-System analysiert riesige Datenmengen und unterstützt Ärzte dabei, die besten Behandlungsoptionen für Krebspatienten zu identifizieren. In Zusammenarbeit mit Partnern wie Quest Diagnostics bietet Watson for Genomics Lösungen für die Präzisionsmedizin an, die Ärzten bei der Entscheidungsfindung helfen.
Diese fokussierten Anwendungen, die auf den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen der Medizinbranche basieren, haben sich als weitaus nützlicher und erfolgreicher erwiesen als die ursprünglichen, breit angelegten Ansätze von Watson Health.
John Deere KI vereint Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit
In der modernen Landwirtschaft setzt John Deere auf innovative KI-Technologien, um nachhaltigere und effizientere Lösungen zu schaffen. Mit der „See and Spray“-Technologie werden Herbizide gezielt nur auf Unkraut ausgebracht, da die Maschine durch maschinelles Lernen Unkraut von Nutzpflanzen unterscheiden kann. Diese Technologie reduziert den Einsatz von Chemikalien erheblich und fördert nachhaltigere landwirtschaftliche Praktiken. Das bedeutet eine deutliche Verbesserung für die Umwelt und zugleich eine Kostenersparnis für die Landwirte im Vergleich zur herkömmlichen Methode, alles zu besprühen.
Außerdem entwickelte John Deere autonome Traktoren, die in der Lage sind, landwirtschaftliche Aufgaben präzise und ohne menschliches Eingreifen auszuführen, was die Produktivität steigert und die Arbeitsbelastung der Landwirte verringert.
Diese Fortschritte bei John Deere zeigen, dass der gezielte Einsatz von KI nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Nachhaltigkeit fördern kann.
Unternehmen sollten sich darauf konzentrieren, die spezifischen Herausforderungen ihrer Branche zu identifizieren und maßgeschneiderte KI-Lösungen zu entwickeln, um diese anzugehen. Dabei ist es wichtig, KI in bestehende Prozesse zu integrieren, um einen reibungslosen Übergang und maximale Wirkung zu gewährleisten.
BMW senkt mit KI Kosten und steigert die Qualität
Auch BMW setzt auf Künstliche Intelligenz, um Produktionsprozesse zu revolutionieren. Mit Technologien wie Car2X, das Fahrzeuge während der Produktion in Echtzeit überwacht, und AIQX, das die Qualitätskontrolle automatisiert, wird die Produktion effizienter und fehlerärmer. Diese Innovationen ermöglichen es BMW, Fehler sofort zu erkennen und zu beheben, was die Nacharbeit drastisch reduziert.
Generative KI-Plattformen wie EKHO beschleunigen Entscheidungsprozesse und steigern die Produktivität, indem sie komplexe Aufgaben in kürzerer Zeit bewältigen.
Durch den Einsatz von KI-Technologien strebt BMW eine flexiblere und effizientere Produktion an. Echtzeitüberwachung und automatisierte Qualitätskontrollen senken die Produktionskosten und erhöhen die Qualität der Fahrzeuge.
Der Einsatz von generativer KI bei BMW zeigt, dass schnelle und präzise Entscheidungen getroffen werden können, die die Produktivität steigern. Bei der Integration von KI in die Produktion geht es nicht nur um Effizienz- und Qualitätssteigerung, sondern auch um eine flexible und anpassungsfähige Produktion.
Siemens vereint IoT und KI
Siemens setzt künstliche Intelligenz umfassend in der Industrieautomation und im Energiemanagement ein. Mit der IoT-Plattform MindSphere werden Maschinen und Systeme vernetzt, um große Mengen an Betriebsdaten zu analysieren und so Prozesse zu optimieren.
Der gemeinsam mit Microsoft entwickelte Siemens Industrial Copilot hilft Ingenieuren, Automatisierungscode schneller und fehlerfrei zu generieren. Diese KI-Lösungen steigern die Effizienz und Produktivität in der industriellen Fertigung deutlich.
Ziel des Einsatzes von KI bei Siemens ist die Maximierung der Betriebseffizienz und Energieeinsparung. Vorausschauende Wartung vermeidet teure Ausfallzeiten und der Industrial Copilot verbessert die Genauigkeit und Geschwindigkeit von Ingenieuren.
Siemens zeigt, dass die Kombination von IoT und KI in der industriellen Fertigung erhebliche Vorteile bietet, einschließlich reduzierter Ausfallzeiten und verbesserter Energieeffizienz.
Bosch schafft mit KI höhere Qualität und spart zugleich
Bosch setzt auf künstliche Intelligenz in verschiedenen Bereichen, von Fahrerassistenzsystemen über automatisiertes Fahren hin zu Energieeffizienzlösungen. In der Produktion nutzt Bosch Machine Vision KI zur optischen Inspektion von Bauteilen, um Fehler wie Kratzer oder Schweißnahtfehler zu erkennen und zu beheben. Haushaltsgeräte wie der Backofen der Serie 8 nutzen Sensoren und KI, um optimale Garzeiten zu berechnen und so die Backergebnisse zu verbessern.
Bosch will die Sicherheit und Effizienz seiner Produkte erhöhen und gleichzeitig nachhaltige Lösungen fördern. KI-gestützte Systeme im Automobilbereich erhöhen die Verkehrssicherheit, während in der Fertigung die Produktqualität durch Fehlererkennung und -behebung verbessert wird.
Bosch zeigt, dass die Integration von KI nicht nur Qualität und Sicherheit verbessert, sondern auch nachhaltige und energieeffiziente Lösungen fördert. Bosch macht deutlich, dass KI-Technologien erhebliche betriebliche und ökologische Vorteile bieten können.
Teslas Autopilot-System und die Grenzen von KI
Das Autopilot-System von Tesla steht seit seiner Einführung im Jahr 2015 sowohl für Innovation als auch für Kontroversen. Von Elon Musk als bahnbrechender Schritt in Richtung autonomes Fahren gepriesen, sah sich das System jedoch zahlreichen Herausforderungen und Kritiken hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit und Sicherheit ausgesetzt.
In den letzten Jahren kam es zu mehreren Rückrufaktionen, von denen zuletzt fast alle in den USA verkauften Tesla-Fahrzeuge betroffen waren. Die Rückrufe waren hauptsächlich auf Probleme mit der KI-Software des Fahrzeugs zurückzuführen, die dazu führten, dass die Fahrzeuge Verkehrsregeln wie Geschwindigkeitsbegrenzungen und Stoppschilder missachteten, sowie auf Unfälle, bei denen Teslas auf stehende Einsatzfahrzeuge auffuhren.
Ein großes Problem war die Kommunikation rund um den Autopiloten. Elon Musk pries das System oft als nahezu autonom an, obwohl es ständige Aufmerksamkeit und Eingriffe des Fahrers erfordert. Dies führte wiederholt zu einer Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und den tatsächlichen Fähigkeiten des Systems. Juristische Untersuchungen ergaben, dass Elon Musk und Tesla sich der Unzulänglichkeiten des Systems bewusst waren, es aber dennoch weiter einsetzten. Dies führte zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten und warf Bedenken hinsichtlich der Verbrauchersicherheit und der Unternehmensethik auf.
Aus den Erfahrungen von Tesla können andere Unternehmen lernen, wie wichtig eine klare und ehrliche Kommunikation über die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Technologien ist. Verbraucher sollten realistische Erwartungen haben, um Missbrauch zu verhindern und die Sicherheit insgesamt zu erhöhen. Darüber hinaus sind strenge Tests und ein transparenter Umgang mit Fehlern entscheidend, um Vertrauen und Zuverlässigkeit in fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme zu gewährleisten.
Zukunft von KI-Produkten
Der Einsatz künstlicher Intelligenz hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und zahlreiche Branchen revolutioniert. Doch wie die Beispiele IBM Watson und Tesla Autopilot zeigen, sind die Herausforderungen groß und der Weg zum Erfolg oft steinig. Sorgfältige Planung, realistische Kommunikation und die Integration hochwertiger Daten sind unerlässlich (siehe auch unser Ratgeber zu den technologischen Voraussetzungen für den KI-Einsatz).
John Deere, BMW, Siemens und Bosch demonstrieren eindrucksvoll, wie der gezielte Einsatz von KI die Effizienz und Nachhaltigkeit bei Produkten steigern kann. Diese Konzerne zeigen, dass maßgeschneiderte Lösungen, die auf die spezifischen Herausforderungen der jeweiligen Branche zugeschnitten sind, erhebliche Wettbewerbsvorteile bieten.
Doch auch kleinere Unternehmen können von der Entwicklung und Implementierung von KI-Produkten in ihren langfristigen Strategien profitieren, um sowohl die Produktqualität als auch die Effizienz zu verbessern. Entscheidend für den Erfolg solcher Initiativen sind auch die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter im Umgang mit KI.
Für die Zukunft wird es entscheidend sein, dass Unternehmen aus den Fehlern (eigenen und denen anderer) der Vergangenheit lernen und innovative KI-Lösungen mit Bedacht und Verantwortungsbewusstsein entwickeln. Nur so kann das volle Potenzial von KI ausgeschöpft und gleichzeitig das Vertrauen der Verbraucher gewonnen werden. Eine Zertifizierung von KI-Anwendungen nach der Norm ISO 42001 ist erfolgsversprechender Weg dorthin.
KI bleibt eine Schlüsseltechnologie mit enormem Potenzial – ihr Erfolg hängt von der richtigen Umsetzung ab.