Der Koalitionsvertrag der großen Koalition sieht vor, die Datenschutzaufsicht über private Einrichtungen bzw. Unternehmen zu vereinheitlichen. Wir erklären, was das bedeuten könnte.
BfDI als zentrale Aufsicht?
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) soll nach Plänen der voraussichtlich nächsten Bundesregierung künftig die alleinige Aufsicht über den Datenschutz im privaten Sektor in Deutschland übernehmen. Die Aufsicht über die Landesverwaltung bliebe unberührt und Ländersache.
Hintergrund dieser Überlegungen ist die nie abreißende Diskussion über uneinheitliche Entscheidungen und die dadurch entstehenden Rechtsunsicherheiten für Unternehmen, auch durch die teilweise ineffiziente Zusammenarbeit der einzelnen Datenschutzbehörden.
Was hätte die Reform für Vorteile für Unternehmen?
Für Unternehmen wäre eine einheitliche Zuständigkeit der Datenschutzaufsicht mit einigen Vorteilen verbunden:
- Einheitliche Auslegung der DSGVO und anderer Datenschutzvorgaben: Gelöst davon, ob die Einschätzung der Behörde nun strenger oder großzügiger ausfiele, wäre Unternehmen sicher daran gelegen, eine klare Richtlinie zu haben als 16 nicht zwingend vergleichbare Ansichten.
- Keine divergierende Bußgeld- oder Auflagenpraxis zwischen den Bundesländern.
- Einheitliche Meldewege bei Datenschutzverletzungen.
- Vereinfachung von grenzüberschreitenden Verfahren innerhalb Deutschlands.
Gerade für Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren Bundesländern würde dies einen Bürokratieabbau und Rechtssicherheitsgewinn bedeuten.
Mögliche Nachteile der Zusammenlegung der Aufsichtsbehörden
Durch die Zentralisierung könnten sich für Unternehmen aber auch Nachteile ergeben:
- Zunahme der Verfahrensdauer durch Überlastung der zentralen Behörde: Ob eine zentrale Aufsichtsbehörde überhaupt mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet würde, bliebe abzuwarten. Und selbst wenn man dies unterstellt, ist damit noch lange nicht gesagt, dass das benötigte Fachpersonal auch zur Verfügung steht. Ob künftig überzählige Mitarbeiter der Landesbehörden bereitwillig zur Bundesbehörde wechseln, ist keinesfalls gesetzt.
- Weniger Beratung, weniger regionale Ansprechpartner und weniger persönliche Kontakte: Bereits die einzelnen Landesbehörden sind teilweise mit Pflichtaufgaben so überlastet, dass die Beratungsaufgaben kaum mehr wahrgenommen werden. Auch in diesem Zusammenhang bestünde ein Personalbedarf bei einer zentralen Aufsicht, der erst einmal finanziert werden müsste und dann auch gedeckt sein will.
- Eventuell höhere Standardisierung und weniger Spielraum für individuelle Lösungen: Dies wäre die Kehrseite einer vereinheitlichten Herangehensweise. Abweichungen von der Regel dürften zur Ausnahme werden.
Auswirkungen auf die Arbeit der Behörde
Effizienzgewinn und Professionalisierung
Die Bündelung der Ressourcen bei der BfDI könnte die Behörde deutlich schlagkräftiger machen:
- Aufbau von spezialisierten Fachabteilungen für einzelne Branchen (Gesundheitswesen, Finanzsektor, IT-Sicherheit)
- Einheitliches Case-Management und digitalisierte Verfahren
- Bessere personelle und technische Ausstattung
Es ist zu erwarten, dass die Aufsicht sich stärker an europäischen Vorbildern orientieren wird (z. B. irische Datenschutzbehörde als zuständige Stelle für viele Tech-Konzerne).
Herausforderungen für die BfDI
Allerdings müsste die BfDI auch große Herausforderungen bewältigen:
- Aufbau neuer Strukturen für die Aufsicht von Millionen Unternehmen. Addiert man die bekannten Fälle von Beschwerden durch Betroffene, die jährlich bislang bei den Landesbehörden auflaufen, ergeben sich eindrucksvolle Zahlen.
- Einstellung und ggf. Schulung hunderter zusätzlicher Mitarbeitender.
- Anpassung der internen Prozesse an deutlich höhere Fallzahlen.
Es mag zudem sein, dass sich eine Zentralbehörde von der Lebenswirklichkeit kleinerer Unternehmen entfernt und diese mit ihren spezifischen Anliegen weniger Gehör finden.
Fazit und Ausblick
Die geplante Zentralisierung der Datenschutzaufsicht bei der BfDI stellt einen Paradigmenwechsel dar und könnte Deutschland datenschutzrechtlich modernisieren und international anschlussfähiger machen.
Unternehmen und Berater würden vor allem von der erhöhten Rechtssicherheit profitieren. Gleichzeitig müssen sie sich auf veränderte Kommunikationswege, höhere Standardisierung und möglicherweise längere Bearbeitungszeiten einstellen.
Für die BfDI bedeutet die Reform eine historische Chance – aber auch eine Mammutaufgabe im organisatorischen und personellen Bereich. Entscheidend für den Erfolg wird sein, ob es gelingt, Effizienzgewinne mit praxisnaher Beratung und Dialogbereitschaft gegenüber Unternehmen zu verbinden.
Ob es tatsächlich zu einer Umsetzung der Pläne kommt, bleibt aus mehreren Gründen abzuwarten. Nicht zuletzt kündigten bereits Bundesländer Widerstand an. Immerhin wäre auch das Föderalismusprinzip betroffen, wenn der Bund Verwaltungsaufgaben an sich zieht.