Für die Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Unternehmen müssen nicht nur die technologischen Grundlagen geschaffen werden – sondern auch die organisatorischen und zwischenmenschlichen. Nur durch ein aktives Change-Management bei der Einführung von KI können Sie eine hohe Akzeptanz bei Ihren Mitarbeitenden erreichen.
Kann man den Wandel managen?
Veränderungen haben oft auch eine unangenehme Seite. Dies gilt insbesondere für disruptive Veränderungen, wie sie die Digitalisierung von Wertschöpfungsketten, Geschäftsmodellen und ganzen Branchen bereits mehrfach hervorgebracht hat. Denn diese Veränderungen gehen bei den Menschen häufig mit Ängsten vor Kontroll-, Arbeitsplatz- oder Prestigeverlust einher.
Um diesen Ängsten von Beschäftigten zu begegnen, ist es für Unternehmen wichtig, ein Change-Management zu implementieren. Dabei geht es vor allem darum, Wissen über die anstehenden Veränderungen aufzubauen und neue Kompetenzen zu entwickeln, um mögliche Widerstände in der Belegschaft abzubauen oder zu verhindern. Change-Management hat viel mit Erklären und Schulen zu tun – aber auch mit Einfühlen und Motivieren. Nur wer dies beherrscht, kann seine Mitarbeiter bei der Veränderung mitnehmen und sie dafür begeistern, die neuen Ziele überhaupt erst Realität werden zu lassen.
Change-Management hat also viele Dimensionen – technische, organisatorische, soziale und auch rechtliche. Die strategische Einführung von KI im Unternehmen macht da keine Ausnahme. Welcher konkreten Change-Management-Maßnahmen bedarf es, um KI erfolgreich zu implementieren? Wir stellen Ihnen die wichtigsten Aspekte vor:
Change-Management und Schulungen zur KI
Viele Unsicherheiten der Belegschaft im Umgang mit neuen Technologien kommen von zu geringen Kenntnissen – und dem daraus resultierenden Unbehagen. Diese Herausforderungen betreffen aber nicht nur Unternehmen, die erst kürzlich in das Thema künstliche Intelligenz eingestiegen sind. Auch Tech-Giganten wie Microsoft hatten anfänglich Schwierigkeiten, ihre Mitarbeiter von den Vorteilen der KI zu überzeugen und die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln. Frühere Schulungsmaßnahmen reichten nicht aus, um das gesamte Team auf das erforderliche Niveau zu bringen. Ein Problem, welches sich quer durch Unternehmen aller Branchen zieht. Laut einer IBM-Studie aus dem Jahr 2022 ist das größte Problem bei der Nutzung von KI mangelndes Wissen.
Zur Lösung dieses Problems entwickelte Microsoft umfassende Schulungsprogramme und Change-Management-Initiativen, die alle Mitarbeiter einbeziehen und kontinuierlich weiterbilden. Diese Maßnahmen führten zu einer höheren Akzeptanz der KI-Technologien und verbesserten die Fähigkeiten der Belegschaft. Die Investitionen in Schulungen und Change-Management-Initiativen steigerten die Effizienz und Innovationskraft des Unternehmens erheblich.
Dass sich solche Maßnahmen lohnen, zeigen die Erfolge der Vorreiter. So entwickelte das Finanzunternehmen JPMorgan Chase die Plattform COiN (Contract Intelligence) zur Nutzung maschineller Lernverfahren für die Analyse von Rechtsdokumenten. Die Plattform automatisiert Aufgaben wie die Interpretation von Kreditverträgen und erspart den Rechtsabteilungen des Unternehmens bei der Bearbeitung von 12.000 Verträgen pro Jahr rund 360.000 Arbeitsstunden. Damit das funktioniert, muss aber nicht nur die Technik stimmen. Die Mitarbeitenden müssen die KI auch nutzen lernen und wollen. Sonst werden keine Stunden eingespart, sondern nur Gelder für die Entwicklung verschwendet.
Kommunikation und Transparenz
Offene Kommunikation
Eine klare Kommunikation über die Ziele, den Nutzen und die Auswirkungen der Einführung von KI ist entscheidend. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, warum die Veränderung notwendig ist und wie sie persönlich davon profitieren können. Hier hilft es, ähnlich wie beim Mission-Statement, eine klare Zielsetzung in wenigen Sätzen zu formulieren. So können die Mitarbeitenden besser nachvollziehen, wohin die Reise gehen soll, und fühlen sich nicht so unsicher.
Ein anschauliches Beispiel ist die Einführung von diagnostischen Assistenzsystemen in Krankenhäusern. Seit 2022 darf KI in der Radiologie eingesetzt werden, um Krebsgeschwüre zu erkennen. Dabei übertrifft die maschinelle Intelligenz in Studien das menschliche Auge. Bereits 2019 konnte KI in 93 Prozent der Fälle Krebs ausschließen, Menschen nur in 91 Prozent. Seither sind die Modelle noch deutlich genauer geworden.
Damit das Fachpersonal aber nicht das Gefühl bekommt, dass seine Expertise durch die Maschine ersetzt werden soll, gilt es klar zu kommunizieren, dass KI nur ein Werkzeug ist. Über den Einsatz und die Verwendung der Ergebnisse entscheiden weiterhin die zuständigen Personen. So wird die Angst vor Arbeitsplatzverlust – und noch tiefgreifender, dem Identitätsverlust als Arzt – verringert oder genommen.
Transparenz
Transparente Prozesse und Entscheidungsfindungen helfen, Misstrauen zu vermeiden. Regelmäßige Updates und Feedbackschleifen können in der Belegschaft Unsicherheiten ab- und Vertrauen aufbauen.
Besonders anschaulich wird dies bei der Anwendung von KI im chinesischen Verkehrsmanagement. Während das Reich der Mitte im Allgemeinen nicht für seine transparente Kommunikation bekannt ist, hat man sich im Projekt City Brain für einen anderen Weg entschieden. Hier übernimmt KI auf Basis von Livebildern der Verkehrskameras die Kontrolle über Straßen und autonome Fahrzeuge. Doch anstatt diesen Prozess still im Hintergrund ablaufen zu lassen, macht der Betreiber Alibaba die Prozesse öffentlich und schafft mit guten Ergebnissen Vertrauen bei den Verkehrsteilnehmern bzw. der Bevölkerung.
Frühzeitige Einbindung der Mitarbeitenden
Egal wie offen und transparent kommuniziert wird, es nützt oft nichts, wenn dies zu spät im Prozess geschieht. Wenn alles schon fertig ist, fühlen sich die Mitarbeitenden vor vollendete Tatsachen gestellt und müssen mit dem Ergebnis leben, ohne es nach ihren Bedürfnissen mitgestalten zu können.
Besser ist es, Beschäftigte frühzeitig in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Dies kann durch Workshops, Informationsveranstaltungen und die Beteiligung an Pilotprojekten geschehen. So fühlen sie sich nicht nur gehört, sondern ihre Einsichten aus der täglichen Arbeit können auch helfen, Lösungen effektiver zu gestalten. Das funktioniert aber nur, wenn eine offene Feedbackkultur gepflegt wird.
Auch wenn es um Prozesse wie den Einsatz von KI geht, sollten die Anliegen der Mitarbeitenden ernst genommen werden. Wenn sie das Gefühl haben, ihren Arbeitsalltag von unliebsamen und zeitraubenden Aufgaben befreien zu können, werden sie sich auch entsprechend engagieren.
Innovationskultur fördern
Eine (Unternehmens-)Kultur, die Innovation und technologischen Wandel begrüßt, fördert auch die Akzeptanz von KI. Führungskräfte müssen diese Kultur vorleben und aktiv fördern. Das Engagement und die Unterstützung des Top-Managements sind nicht nur als Vorbild entscheidend. Viele angestrebte KI-Einführungen scheitern gerade daran, dass sie auf neu gegründete KI-Teams abgewälzt werden. Diese verfügen oft nicht über die notwendigen Weisungsbefugnisse und Ressourcen, um im Alleingang einen unternehmensweiten Kulturwandel anzustoßen. Ohne die Unterstützung des Managements kämpfen sie gegen Windmühlen. Sie versuchen, etwas zu erreichen, wozu ihnen die Mittel fehlen.
Wenn die Teams jedoch in einem geeigneten kulturellen Umfeld arbeiten und die notwendige Unterstützung des Managements erhalten, können sie Unternehmen durch die KI-Revolution führen.
Pilotprojekte und schrittweise Implementierung
Kleine, gut definierte Pilotprojekte können helfen, den Nutzen von KI zu demonstrieren und anfängliche Bedenken zu zerstreuen. Erfolgreiche Pilotprojekte schaffen Vertrauen und Akzeptanz.
Das hat u.a. die amerikanische Supermarktkette Wallmarkt gezeigt. Dort überwacht ein KI-System mithilfe von Kameras den Zustand der Produkte. Damit hat das Unternehmen die Notwendigkeit eliminiert, dass Beschäftigte ständig durch die Läden laufen und den Zustand aller Produkte überprüfen müssen.
Ein solches System direkt darauf zu trainieren, den gesamten Laden im Auge zu behalten, wäre nicht nur teuer, die plötzliche Umstellung hätte wahrscheinlich auch die Mitarbeitenden vor den Kopf gestoßen und Existenzängste ausgelöst. Das hat das Unternehmen mit einem Pilotprojekt umgangen. Statt den gesamten Supermarkt von der KI prüfen zu lassen, wurden zunächst nur Bananen per Videostream auf braune Stellen untersucht.
Der Erfolg des Prototyps ermöglichte es dem Unternehmen, die getestete Technologie weiterzuentwickeln und die KI schrittweise mit der automatischen Überwachung des gesamten Warenbestands zu betrauen.
Unterstützung und Ressourcen
Ressourcen bereitstellen
Ausreichende Ressourcen, sowohl personeller als auch finanzieller Art, sind für eine erfolgreiche Einführung von KI notwendig. Dazu gehört auch die Bereitstellung von technischer Unterstützung und Beratung.
Ein Beispiel ist die Einführung der autonomen Fahrzeuge von Tesla. Diese sind zwar bis jetzt nicht marktreif, haben aber den Weg für die Technologie geebnet. Dies war nur möglich, weil das Unternehmen massiv in KI-Technologie investiert hat, um die Sicherheitsmerkmale zu verbessern, die notwendige Rechenleistung in die Testwagen einzubauen und eine entsprechende Forschungsabteilung aufzubauen.
Eine solche Wertschätzung (in Form von Investitionen) in eine Idee oder Technologie kann unternehmensweit Leuchtturmwirkung entfalten – und sogar (wie im Falle von Tesla) branchenweite Effekte haben. Das wiederum zahlt sich positiv aufs Unternehmensimage aus. Projekte, die aufgrund halbherziger Investitionen scheitern, schaden dem internen wie externen Ansehen.
Change Agents
Die Ernennung von Change Agents oder Botschaftern, die den Veränderungsprozess aktiv unterstützen und als Ansprechpartner für ihre Kolleginnen und Kollegen fungieren, kann den Wandel erleichtern. Sie vermitteln zwischen Fachteams und anderen Mitarbeitenden, machen komplexe Konzepte verständlich und fördern eine Innovationskultur. Solche Change Agents können eine Geheimwaffe sein, um Widerstände zu überwinden, Mitarbeitende zu schulen und eine reibungslose Integration neuer Technologien zu gewährleisten, was letztlich zu einer höheren Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens führt.
Erfolgsmessung und Anpassung
Eine regelmäßige Überprüfung der Fortschritte und Anpassung der Strategien ist unerlässlich. Die Erfolgsmessung anhand klar definierter KPIs ermöglicht es, den Erfolg der KI-Einführung zu bewerten und notwendige Anpassungen vorzunehmen. Diese sollte aber nicht nur im Management oder dem KI-Team stattfinden. Werden auch die betroffenen Mitarbeitenden einbezogen, entsteht auch für diese ein Gefühl, gehört zu werden und Einfluss auf den Prozess zu haben.
Eine offene Haltung gegenüber Feedback und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen und Prozesse kontinuierlich zu verbessern, sind Schlüsselelemente für ein erfolgreiches Change Management – gerade, wenn es um KI geht.
Fazit: Change-Management erfordert eine 360-Grad-Perspektive
Die Einführung von KI in Unternehmen erfordert mehr als nur technologische Anpassungen. Ein effektives Change-Management, das Kommunikation, Einbindung der Mitarbeitenden, Training, Kulturwandel, Pilotprojekte, ausreichende Ressourcen und kontinuierliche Erfolgsmessung umfasst, ist entscheidend, um eine hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitenden sicherzustellen und das volle Potenzial von KI auszuschöpfen. Nur so können Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und innovative Lösungen entwickeln.