Wie lange dürfen die Daten von einer Videoüberwachung gespeichert werden? Wann müssen laut Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Videoaufnahmen gelöscht werden? Wie sehen die Datenschutz-Aufsichtsbehörden und deutsche Gerichte die Speicherungsdauer bei der Videoüberwachung? Ein Überblick.
Speichern und Löschen von Videodaten
Die Datenschutz-Grundverordnung benennt in Art. 35 Abs. 3 lit. c DSGVO bzw. Erwägungsgrund 91 DSGVO Videoüberwachung als „systematische umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche, insbesondere mittels optoelektronischer Vorrichtungen“. Sofern eine solche Überwachung erfolgt, ist aufgrund des hohen Risikos für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen grundsätzlich die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung erforderlich. Darüber hinaus macht die DSGVO keine konkreten Angaben zur Speicherdauer bzw. zu Löschfristen für Daten einer Videoüberwachung.
Das BDSG konkretisiert die Vorgaben der DSGVO. In § 4 Abs. 5 BDSG ist geregelt, dass Daten unverzüglich zu löschen sind, sobald sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
Noch nicht abschließend ist jedoch geklärt, ob und in welchem Umfang diese nationale Regelung aufgrund des Anwendungsvorrangs der europäischen Norm angewendet werden kann. Dies bleibt einer Entscheidung im jeweiligen konkreten Einzelfall vorbehalten.
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. März 2019 klargestellt, dass § 4 BDSG zumindest dann keine Rechtgrundlage für die Videoüberwachung darstellen kann, wenn private Einrichtungen diese vornehmen. Nur öffentliche Stellen wie Behörden dürfen § 4 BDSG als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung heranziehen. Private Unternehmen hingegen dürfen Videoüberwachungsmaßnahmen nur auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO durchführen.
Wann ist die Speicherung von Videodaten zulässig?
Da weder die DSGVO noch das BDSG konkrete Speicherdauern vorgeben, sollte sich an folgenden Voraussetzungen orientiert werden.
- Die Speicherung oder Verwendung von Daten ist zulässig, wenn sie erforderlich ist, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Gleichzeitig dürfen keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
- Sofern die Daten zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen, sind die Daten unverzüglich zu löschen.
- Sofern Videodaten gespeichert werden, muss die Begründung für die Speicherung dokumentiert werden. Diese Begründung muss sich auf den Aufnahmezweck beziehen.
- Für andere Zwecke als den ursprünglichen darf der Verantwortliche Videoüberwachungsdaten nur weiterverarbeiten, soweit dies erforderlich ist, um Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit abzuwehren sowie um Straftaten zu verfolgen.
- Es muss zudem ein technisches Verfahren eingesetzt werden, mit dem die Speicherdauer von Videodaten konkret begrenzt wird, wie z. B. eine automatisierte periodische Löschung oder das Selbstüberschreiben zurückliegender Aufnahmen.
Welche Speicherdauer ist für Videodaten angemessen?
Grundsätzlich gilt also, dass die Speicherdauer für Videodaten
- dem Zweck entsprechen,
- notwendig und verhältnismäßig sowie
- derart begrenzt sein muss, dass die Risiken für Betroffene eingedämmt werden.
Aufsichtsbehörden und Gerichte haben dazu diverse Meinungen:
Orientierungshilfe der DSK
Die Datenschutzkonferenz (DSK) der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder vertritt die Meinung, dass grundsätzlich innerhalb von ein bis zwei Tagen geklärt werden könne, ob das Videomaterial einer Sicherung bedarf (um die Aufnahmen z. B. im Fall einer Straftat vor Gericht verwerten zu können).
Auch die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Grundsätze der Datenminimierung und Speicherbegrenzung (vgl. Artikel 5 Abs. 1 lit. c und e DSGVO) gebiete, dass die Daten von Videoüberwachung wie bisher grundsätzlich nach 48 Stunden gelöscht werden (Kurzpapier Nr. 15 der DSK).
Eine längere Speicherdauer könne nur gerechtfertigt sein, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt, das die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegt. Die DSK betont die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung, um sicherzustellen, dass die Speicherung verhältnismäßig bleibt.
Orientierungshilfe des BayLDA
Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) stellte in einer Orientierungshilfe zur Videoüberwachung klar, dass die Speicherdauer von Videomaterial auf das absolut notwendige Minimum zu begrenzen ist.
Das BayLDA empfiehlt, dass die Speicherdauer in der Regel 72 Stunden nicht überschreiten sollte, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine längere Speicherung rechtfertigen.
Beispiele aus der Rechtsprechung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2018
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte fest, dass längere Speicherfristen unter bestimmten Umständen zulässig sein können. So entschied es in seinem Urteil vom 23. August 2018 (Az.: 2 AZR 133/18), dass Arbeitgeber mit der Auswertung von Videoaufzeichnungen so lange warten dürfen, wie dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, täglich die Aufnahmen von offen angebrachten Kameras zu überprüfen, um mögliche Zuwiderhandlungen aufzudecken, wodurch längere Speicherfristen möglich werden.
Dass der Richterspruch des BAG jedoch nicht als Freifahrtschein für unbegrenzte Speicherung von Videoüberwachungsmaterial verstanden werden sollte, zeigt unsere datenschutzrechtliche Einschätzung des Urteils.
Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 13.03.2023
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 13. März 2023 (Az.: 10 A 1443/19) behandelt die zulässige Speicherungsdauer von Videoaufzeichnungen im Rahmen der Videoüberwachung an einer Selbstbedienungstankstelle. Das Gericht entschied, dass Videoaufzeichnungen grundsätzlich nur so lange gespeichert werden dürfen, wie dies zur Erreichung des Überwachungszwecks erforderlich ist. In diesem Fall wurden die Daten zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten aufgezeichnet. Das Gericht stellte fest, dass eine Speicherung von bis zu 72 Stunden als angemessen gilt, um potenzielle Straftaten zu identifizieren und gegebenenfalls an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. Eine längere Speicherung der Videoaufnahmen ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Das Urteil betont die Notwendigkeit einer strengen Einhaltung des Grundsatzes der Datenminimierung gemäß der DSGVO.
Zusammenfassung
Diese Entscheidungen dienen als Leitlinie für die rechtskonforme Praxis der Speicherungsdauer bei Videoüberwachung und unterstreichen die Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten. Die Rechtsprechung und Empfehlungen der Datenschutzbehörden in Deutschland zeigen eine klare Tendenz, die Speicherdauer von Videoaufnahmen streng zu begrenzen, um den Anforderungen der DSGVO gerecht zu werden. Es wird betont, dass die Speicherung nur so lange erfolgen darf, wie es zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist. In der Regel wird eine Speicherdauer von 48 bis 72 Stunden empfohlen, es sei denn, es gibt spezifische Umstände, die eine längere Speicherung rechtfertigen. Dabei sind die Anforderungen an die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung und die strikte Einhaltung der Grundsätze der Datenminimierung und Speicherbegrenzung stets zu gewährleisten.
Fazit: Zwei Tage Speicherdauer sind zu empfehlen
Aus Sicht des Datenschutzes und im Lichte der Rechtsprechung sollte somit die Speicherdauer von Aufnahmen einer Videoüberwachung grundsätzlich auf 48 Stunden begrenzt werden. Längere Speicherfristen können nur gerechtfertigt sein, wenn ein erhöhtes Schutzbedürfnis besteht, oder die Verfolgung eines Straftatverdachts von Mitarbeitern dieses begründen. Entscheidend ist jedoch, dass die Videoaufzeichnung stets DSGVO-konform erhoben und verarbeitet werden.
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